Wie Sie den inneren Kritiker konstruktiv für das Schreiben nutzen

Franz Grieser // April 12 // 0 Comments

Der innere Kritiker oder die innere Kritikerin ist eine innere Stimme, die meist
gefühlt irgendwo im Hinterkopf, auf der Schulter oder im Nacken sitzt. Diese
Stimme wird vor allem dann aktiv, wenn wir etwas tun, was uns wichtig ist. Wenn
wir etwas Kreatives tun. Wenn wir etwas tun, was uns fordert.

Diese Stimme heißt nicht zufälligerweise innerer Kritiker. Sie kritisiert, was
wir tun und wie wir es tun. Und diese Stimme kann richtig heftig werden und uns
im Extremfall beschimpfen, beleidigen, zur Schnecke machen.

Der innere Kritiker löst Blockaden aus

Viele Schreibende kennen das: Sie schreiben an einer Szene für den neuen Roman. Oder
Sie schreiben an einem Kapitel für Ihr neues Sachbuch. Und ganz unvermittelt ist da
eine nörgelnde, eine kritisierende oder auch eine herablassende Stimme im Kopf.

Wahrscheinlich kommen dann Sätze oder Gedanken wie:

  • „Das kannst du doch so nicht schreiben. Das versteht doch kein Mensch.“
  • „Kannst du dich nicht klar ausdrücken?“
  • „Das will doch kein Mensch lesen.“
  • „Das ist doch langweilig ohne Ende. …“

So etwas macht einen schnell unsicher. Und dann fangen Sie an, den ersten Satz
umzuformulieren. Aber die innere Stimme meckert schon wieder: „So kannst du das
doch nicht schreiben.“

Sie löschen den Satz und fangen von vorne an. Aber auch das passt der inneren
Stimme nicht, die das vielleicht so kommentiert: „Lass es doch einfach. Du
konntest schon in der Schule nicht schreiben.“

Mit dem Ergebnis, dass Sie erst einmal aufstehen, sich etwas zu Trinken holen, es
noch einmal probieren und dann doch aufgeben.

Wieso macht der innere Kritiker das?

Die Romanautor*innen unter uns wissen, dass kein Schurke, kein Bad Guy, einfach
nur böse oder niederträchtig ist. Auch Schurken haben positive Seiten.

Und das gilt auch für den inneren Kritiker.

Im Grunde sogar noch viel mehr als für den Schurken in einem Roman. Denn der
innere Kritiker ist im Grund auf Ihrer Seite. Er will Sie, so plump das
vielleicht klingt, einfach nur beschützen.

Er tut es aber auf eine Art und Weise, die nicht wirklich hilfreich ist.

Die Aufgabe des inneren Kritikers im inneren Team ist eine positive: Er fühlt
sich für Ihren Schutz verantwortlich und will Sie vor unangenehmen Situationen
bewahren.

Er versucht, Sie zu schützen

  • vor Kritik, vor Angriffen,
  • vor Abwertung
  • und vor Ablehnung

Daher setzt er alles daran, Sie dazu zu bringen,

  • alles perfekt zu machen (damit Sie nicht für Fehler kritisiert werden).
  • das Risiko zu minimieren, dass Sie abgelehnt werden.
  • die Regeln zu beachten und sich so zu verhalten, wie die anderen Sie
    haben wollen. Damit Sie von den anderen gemocht werden.

Der innere Kritiker ist ein Irrläufer

Der innere Kritiker hat also positive Absichten für Sie, aber er verhält sich
auf eine Art und Weise, die Sie wahrscheinlich nicht als positiv empfindest.

Aus der Perspektive des inneren Kritikers sieht das aber ganz anders aus: Wenn Sie das Buch, die Geschichte, den Blogartikel oder was auch immer Sie schreiben, nicht veröffentlichen,

  • dann gibt es auch keine Kritik von Lesern,
  • dann blamieren Sie sich nicht – jedenfalls nicht aus Sicht des Kritikers.

So absurd es also klingt: Wenn der innere Kritiker Sie daran hindert, Ihr Werk
fertigzustellen, dann hat er seine Absicht erreicht.

Aus Ihrer Perspektive sieht das allerdings anders aus:

  • Die Geschichte, die Sie erzählen wollen, wird nicht fertig. Das Buch, mit dem
    Sie sich als Expertin zeigen wollen, wird nicht fertig.
  • Sie sind frustriert und zweifeln an sich und an Ihren Fähigkeiten.

Aus Ihrer Sicht verhält sich der innere Kritiker also höchst destruktiv.

Schreibblockade vermeiden - Überarbeiten NACH dem kreativen Schreiben

Der innere Kritiker als konstruktiver Anteil beim Schreiben

Dabei bringt er eine Fähigkeit mit, die Sie beim Schreiben gut brauchen können.

Er ist nämlich in einem extrem gut: Er findet Fehler, er findet
Schwachstellen. Ihm fällt auf, wenn es logische Lücken gibt oder Widersprüche.
Wenn das Tempo in einer Szene nicht stimmt, wenn Sie eine Figur etwas tun lassen,
was sie nie tun würde. Oder wenn Sie in einem Sachbuch steile Thesen aufstellen,
ohne sie belegen zu können. Und vieles mehr.

Der innere Kritiker ist also ideal für das Überarbeiten geeignet.

(Gute) Schreibratgeber empfehlen ja, zwei Phasen im Schreibprozess klar zu
trennen:

  • das Schreiben der Rohfassung oder des ersten Entwurfs
  • und das Überarbeiten.

Das Schreiben der Rohfassung ist ein schöpferischer Akt. Das braucht
Fantasie, Vorstellungskraft, und es braucht Schwung. Alles, was den Schreibfluss
unterbricht oder bremst, ist da hinderlich.

Das Überarbeiten ist ein analytischer Prozess. Der braucht einen klaren,
kritischen Blick. Und dafür ist der innere Kritiker wie geschaffen. Der ist in
seinem Element, wenn Sie ihm Futter geben und ihm einen Rotstift in die Hand
drücken.

Das Paradoxe daran ist: Der innere Kritiker kann seine Fähigkeiten erst dann
richtig ausspielen, wenn er Futter bekommt. Wenn Sie also eine Rohfassung
geschrieben haben.

Das heißt, wenn der Kritiker Sie so sehr behindert, dass Sie ihm kein Futter
liefern können, dann kann er auch nicht zeigen, was er wirklich drauf hat.

Wie kann ich den Kritiker konstruktiv nutzen?

Und genau an diesem Punkt können Sie den inneren Kritiker packen.

Wie das geht, habe ich exemplarisch in diesem Beitrag vorgeführt (im Abschnitt
Wie du die positive Absicht des inneren Kritikers herausfindest“).

Das funktioniert allerdings erst dann so richtig, wenn es Ihnen gelingt, aus dem
Kampf mit dem inneren Kritiker auszusteigen – oder umgekehrt, bei einem heftigen
Kritiker, wenn es Ihnen gelingt, überhaupt erst einmal zu Wort zu kommen. Dazu
sind nach meiner Erfahrung oft erst einmal einige Zwischenschritte nötig, damit
es zu einer Annäherung kommt, die ein konstruktives Miteinander möglich macht.

Das geht gut in einem individuellen Coaching oder aber in dem Onlinekurs „Den
inneren Kritiker zum Verbündeten machen“, einem Mix aus Workshop und
Einzelcoachings.

Wenn du mehr darüber wissen willst, melde dich zum kostenlosen Webinar am 20.
April, 18 Uhr, an.

 

Das Titelfoto stammt von iStock. Die Fotos im Text stammen von Adi Goldstein (via Unsplash) Anne Karakash (via Pixabay) bzw. Depositphotos.

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