Eine Schreibblockade kommt nicht aus heiterem Himmel. Sie entsteht, wenn man zwei Schritte des Schreibprozesses nicht klar trennt.
Der wahrscheinlich häufigste Grund für eine Schreibblockade
Als ich anfing, Geld mit Schreiben zu verdienen, war mir das nicht klar: Am schnellsten manövriert man sich in eine Schreibblockade, wenn man die beiden Schritte „Rohfassung schreiben“ und „Überarbeiten“ nicht klar trennt.
Beim Schreiben einer Erzählung kam ich bei jeder Sitzung immer nur zwei, drei Sätze weiter. Kaum standen zwei Sätze auf dem Bildschirm, fing ich schon an, sie umzuschreiben. Ich löschte Wörter, fügte welche ein, stellte etwas um, machte das wieder rückgängig … Und nach einer Stunde war ich nur unwesentlich weiter gekommen. Das Schreiben wurde immer zäher und frustrierender. Es kostete mich richtig Überwindung, den nächsten Anlauf zu unternehmen.
Der Lektor, der zu der Zeit mein erstes Fachbuch betreute, machte mir dann klar, wo der Grund für meine Schreibblockade lag: Ich hatte zugelassen, dass sich beim kreativen Prozess des Schreibens ständig der innere Kritiker einmischte. Dass dem kreativen kreativen Anteil dann rasch die Lust verging, wundert mich heute nicht mehr.
Verhindern lässt sich das, wenn man begreift, dass das Schreiben und das Überarbeiten zwei unterschiedliche Tätigkeiten sind, für die man unterschiedliche Fähigkeiten braucht. Und wenn man diese Tätigkeiten zeitlich und – idealerweise – auch räumlich trennt. Sonst kommt es unweigerlich zur Schreibblockade.
Die kreative Phase: die Rohfassung schreiben
Die Fähigkeiten des Kritikers sind beim Schreiben der Rohfassung (1. Entwurf) hinderlich. Bei der Rohfassung geht es darum, schnell und ohne viel Nachdenken etwas auf den Bildschirm oder das Papier zu bringen. Dabei ist es wichtig, in einen Schreibfluss zu kommen und in diesem Flow zu bleiben.
Alles, was den Schreibfluss unterbricht, ist in dieser kreativen Phase des Schreibprozesses Gift: „Nur mal schnell“ im Web nachlesen, ob das gerade Geschriebene überhaupt stimmt; eine Zahl oder einen Namen nachschlagen; darüber nachdenken, ob ein bestimmtes Argument überhaupt stichhaltig ist – all das bringt Sie aus dem Flow, und es ist dann schwer, wieder in den Flow zu kommen.
Vor allem fühlt sich bei solchen Tätigkeiten sehr schnell der innere Kritiker angesprochen (recherchieren, kritisch prüfen – das kann er gut). Den Kritiker können Sie im kreativen Prozess des Schreibens jedoch nicht brauchen. Das beste Mittel, im schöpferischen Flow zu bleiben: Markieren Sie die Stelle, an der Sie später – beim Überarbeiten – noch etwas ergänzen, nachschlagen oder überprüfen wollen, und schreiben Sie sofort weiter. Nehmen Sie zum Markieren Sonderzeichen, die im Text sonst nicht vorkommen – so können Sie später mit der Suchfunktion danach suchen. Ich nehme dazu ### und eine kurze Anmerkung, beispielsweise:
###überprüfen### oder
###überzeugt mich noch nicht###
Beim Schreiben der Rohfassung geht es um Quantität: Sie müssen erst einmal etwas auf den Bildschirm bringen. Sonst haben Sie in der Phase des Überarbeitens nichts, was Sie später überarbeiten könnten.
Was beim Schreiben der Rohfassung gefragt ist:
- Kreativität, Schaffenskraft und Schaffensfreude: In dieser Phase dürfen Sie Ihre Fantasie von der Leine lassen. Schreiben Sie, ohne viel nachzudenken und ohne sich zu zensieren.
- Schnelligkeit: Schreiben Sie schnell. Halten Sie sich nicht damit auf, Tippfehler zu korrigieren oder Wörter oder Sätze umzustellen. Schreiben Sie einfach weiter – geben Sie dem inneren Kritiker keine Gelegenheit einzuhaken.
- Fokus: Sorgen Sie dafür, dass es keine Störungen von außen gibt. Tür zu, Anrufbeantworter einschalten, Internetverbindung trennen. Schreiben Sie los, und lassen Sie sich von nichts unterbrechen (auch nicht von einer inneren kritischen Stimme).
- Produktivität: Wie schon gesagt, beim Schreiben der Rohfassung kommt es auf Masse an. Kürzen können Sie beim Überarbeiten. Ihr innerer Kritiker wird sich freuen, wenn er was zu tun bekommt.
Wichtig: Die Rohfassung bekommen normalerweise nur Sie zu sehen. Halten Sie sich das vor Augen, wenn sich der innere Kritiker beim Schreiben der Rohfassung meldet.
Die analytische Phase: den Text überarbeiten
Die Phase des Überarbeitens besteht aus mindestens einem Überarbeitungsdurchgang, üblicherweise aus mehreren. Bevor Sie damit anfangen, empfiehlt es sich allerdings, den Text erst einmal ein, zwei Tage liegen zu lassen und sich mit etwas ganz anderem zu beschäftigen.
Überarbeiten in mehreren Durchgängen
Ich empfehle mindestens 3 Durchgänge:
1. Gehen Sie den Text inhaltlich durch: Wo fehlen noch Infos/Details, wo wollten Sie noch etwas recherchieren? Wo waren Sie beim Schreiben unsicher? Recherchieren Sie, ergänzen und korrigieren Sie den Rohtext.
2. Dann lesen Sie die bearbeitete Rohfassung nochmals durch und achten darauf: Ist der Text logisch aufgebaut? Fehlt etwas? Haben Sie etwas geschrieben, was nicht (mehr) in den Text passt? Ist es sinnvoll, Abschnitte umzustellen? Bauen Sie den Text um, wenn nötig.
3. Wenn Sie größere Umbauarbeiten durchgeführt haben, gehen Sie den kompletten Text noch einmal durch. Prüfen Sie, ob die Abfolge (nach wie vor) schlüssig ist und ob alle Informationen vorhanden sind, die der Leser zum Verständnis braucht. Das ist vor allem dann notwendig, wenn Sie Abschnitte, vielleicht sogar Kapitel umgestellt oder Abschnitte gelöscht haben.
Die Korrekturphase kommt später – Phase 5 des Schreibprozesses: der Feinschliff.
Während Überarbeitungsphase zeigen Sie den Text auch schon Kollegen, Freunden oder auch jemandem aus der Zielgruppe, die Sie ansprechen wollen. Fragen Sie nach Feedback zum Inhalt und (wenn Sie den Text schon sprachlich überarbeitet haben) auch zur Sprache.
Tipp: Überarbeitungszeit begrenzen
Gerade das Überarbeiten könnte man endlos ausdehnen – bis der Text „wirklich perfekt“ ist. Nur: Wirklich perfekt wird so gut wie kein Text. Setzen Sie sich daher ein zeitliches Limit. Eine Faustregel lautet: Die Phasen 3 und 4 im Schreibprozess (Rohfassung bzw. Überarbeitung) dauern in etwa gleich lang.
So vermeiden Sie eine Schreibblockade
Wie schon gesagt: Trennen Sie die beiden Tätigkeiten – das kreative Schreiben und das analytische Überarbeiten – so gut wie möglich. Und zwar zeitlich und, soweit möglich, auch räumlich.
Zeitliche Trennung der Phasen
Wenn Sie Ihre Schreibzeiten planen, dann tragen Sie in den Kalender klar ein, ob Sie die Rohfassung schreiben oder ob Sie Texte überarbeiten. Und halten Sie sich streng an diese Trennung – in jedem Fall beim kreativen Schreiben. Beim Überarbeiten besteht kaum die Gefahr, dass Sie in den kreativen Prozess rutschen und deshalb in eine Schreibblockade geraten.
Falls es beim kreativen Schreiben passiert, dass sich der innere Kritiker meldet und nicht mehr verschwinden will: Stehen Sie auf, schaffen Sie Abstand. Bewegen Sie sich ein wenig, trinken Sie etwas. Dann führen Sie sich klar vor Augen, dass jetzt das kreative Schreiben angesagt ist und dass Sie für das Überarbeiten bereits einen Termin geplant haben.
Tipp: Schreibblockade lösen und den Kopf frei bekommen
Dieses 2-Minuten-Ritual hilft, nach der kurzen Unterbrechung konzentriert mit dem kreativen Schreiben fortzufahren.
Räumliche Trennung
Wenn das möglich ist, richten Sie sich zwei voneinander getrennte Arbeitsplätze ein: einen, an dem Sie kreativ schreiben, und einen, an dem Sie überarbeiten.
Der Kreativplatz braucht keinen Internetzugang und auch kein Telefon. Sie sollten sich dort wohl fühlen, die Gedanken sollten frei fließen können. Es darf gern auch bequem sein. Manche mögen dafür einen klar aufgeräumten Schreibtisch, auf dem nichts ablenkt; andere wollen es lieber hübsch haben; wieder andere stört es nicht, wenn Bücher, Papiere oder anderes herumliegt. Probieren Sie aus, was für Sie am besten funktioniert.
Am Platz für das Überarbeiten brauchen Sie die Verbindung nach draußen, schließlich werden Sie hier öfter Fakten überprüfen oder noch einmal recherchieren.
Hintergrundwissen: Die 5 Phasen des Schreibprozesses
In meiner Praxis hat sich ein Modell mit den folgenden 5 Phasen als am praktikabelsten herausgestellt (es gibt auch Modelle, die zwischen 3 und 7 Phasen vorsehen):
- Phase 1: Brüten und Recherchieren
- Phase 2: Strukturieren
- Phase 3: Rohfassung schreiben
- Phase 4: Überarbeiten
- Phase 5: Feinschliff
So schön chronologisch wie im Diagramm oben folgen die Phasen in der Praxis nicht aufeinander. Gerade längere Schreibprojekte, etwa Buchprojekte, sind iterative Prozesse. Oft merkt man beim Schreiben der Rohfassung oder beim Überarbeiten der ersten Kapitel, dass die Struktur doch noch nicht so ganz passt – beispielsweise, dass man zwei Kapitel besser umstellen sollte (von der Rohfassung geht’s dann zurück zum Strukturieren) oder dass noch weitere Kapitel nötig sind (nach dem Überarbeiten geht’s zurück in die kreative Phase 3), etc.
Phase 1: Brüten und Recherchieren
In dieser Phase sammeln Sie erst einmal ungefiltert Ideen und Informationen dazu. Dieses anfängliche Sammeln von Informationen und Ideen funktioniert erst einmal nach der Hamster-Methode: Sammeln, sammeln, sammeln. Mit der Zeit kristallisieren sich Schwerpunkte heraus, die Recherchen werden zielgerichteter. Sie werden das Thema immer stärker eingrenzen.
Phase 2: Strukturieren
Sobald Sie sich einen Überblick über das Thema verschafft und das Thema für das Schreibprojekt eingegrenzt haben, geht es ans Strukturieren und an die Entscheidung „Was kommt rein, was bleibt draußen?“. Sie entwickeln einen roten Faden für den Text, die Gliederung. Die Gliederung ist ein Gerüst, das sich im Lauf des Schreibprozesses noch verändern kann. Nicht selten bemerkt man beim Strukturieren bzw. beim Schreiben, dass einzelne Ideen stärker ausgearbeitet werden sollten, dass die Reihenfolge vielleicht doch anders besser wäre, etc.
Phase 3 und 4: Rohfassung schreiben und überarbeiten
Siehe oben.
Phase 5: Feinschliff
Zuletzt bekommt der Text den Feinschliff. Nutzen Sie die Rechtschreibkorrektur Ihres Textprogramms, besser noch das Programm „Duden Korrektor“, das es separat für Microsoft Word gibt und das Bestandteil der Schreibprogramme Papyrus Autor und Textmaker (aus dem Paket Softmaker Professionell) ist. Drucken Sie den Text aus, lesen Sie ihn auf Papier, markieren Sie Formulierungen, die Sie noch ändern wollen, sowie Rechtschreibfehler. Achten Sie auch auf Wortwiederholungen. Fügen Sie die Korrekturen in die digitale Fassung des Textes ein. Bei Veröffentlichungen (Bücher, Webseiten) empfehle ich, professionelle Korrektoren hinzuzuziehen.
Das Titelfoto stammt von Pixabay-Nutzer Jason Goh (cegoh) aus Singapur. Die übrigen Fotos stammen von den Pixabay-Nutzern annekarakash und cocoparisienne