Wieso ein Nickerchen die Kreativität auf Trab bringt

Franz Grieser // Februar 20 // 0 Comments

Es nervt: Am frühen Nachmittag ist bei mir oft die Luft raus. Ich ertappe mich dabei, auf den Bildschirm zu starren – und gar nicht aufzunehmen, was ich gerade lese. Oder auf den leeren Bildschirm zu starren und keinen Plan zu haben, wie ich weitermache.

Sitzen zu bleiben und angestrengt zu versuchen, mich zu konzentrieren – das funktioniert höchstens für kurze Zeit, dann wird es wieder wattig in meinem Hirn.

Mir hilft stattdessen: Entweder aufstehen und eine kurze Runde spazieren gehen. Oder aber mich für eine Viertelstunde auf die Couch zu legen.  In beiden Fällen bin ich hinterher geistig erfrischt und kann wieder kreativ und produktiv weiterarbeiten.

Dass ein körperliches In-Bewegung-Kommen auch den Geist in Bewegung bringt, leuchtet den meisten ein. Auch die frische Luft und das Grün auf den Feldern und Wiesen helfen meinen Gehirnzellen auf die Sprünge.

Dass auch ein kurzes Schläfchen gut für die Kreativität ist, ist vielleicht nicht so offensichtlich.

Ein Reset für Fantasie und Denkvermögen

Ein kurzes Schläfchen dient nicht dazu, uns auszuruhen und zu regenerieren, wie das der Nachtschlaf tut. Ein Nickerchen ist wie ein Reset für das Gehirn. Dazu darf es allerdings höchstens 15 bis 20 Minuten dauern – wenn wir mittags oder nachmittags länger schlafen, sind wir nach dem Aufwachen oft erst einmal noch schlaftrunken oder benommen.

Wie Wissenschaftler von der Sorbonne, Paris, herausgefunden haben, kann sogar schon ein Kürzest-Nickerchen von nur 15 Sekunden ausreichen, um uns zu erfrischen.

Die Hirnaktivitäten während des Nickerchens – die Wissenschaftler sprechen von Non-REM-Schlaf in der Ruhephase N1 – entzünden im Gehirn ein kreatives Feuerwerk. Während dieser Ruhephase erleben wir spontane, traumartige Wahrnehmungserfahrungen, die Erlebnisse aus dem Wachzustand mit Erinnerungen verknüpfen und – so die Wissenschaftler – die Entwicklung neuartiger Ideen fördern.

Eine bewährte Kreativitätstechnik

Schon Erfinder und Künstler vergangener Tage kannten die belebende Wirkung von Kürzest-Nickerchen.

So schildert Thomas Edison, dass er sich, um auf frische Ideen zu kommen, in einen Sessel setzte und dabei eine Stahlkugel in eine Hand nahm. Sobald er einnickte, entspannte sich die Hand und ließ die Kugel los – der Krach der auf den Boden fallenden Kugel weckte ihn. In dieser kurzen Zeit muss er in den N1-Zustand geraten sein (den man damals noch nicht kannte), der ihm beim Problemlösen half.

Ähnliches berichtet Salvador Dalí über seinen „Schlummer mit einem Schlüssel“: Er hielt einen Schlüssel in der Hand, darunter befand sich ein Teller. Sobald er einnickte, fiel der Schlüssel in den Teller – und weckte Dalí, der sich dann erfrischt wieder ans Werk machte.

Kreativität Nickerchen Coffee Nap

Noch besser als Kaffee: ein Coffee Nap

Am Morgen hilft mir eine Tasse Kaffee, in die Gänge zu kommen. Wenn ich am frühen Nachmittag eine zweite Tasse trinke, passiert häufig etwas Seltsames: Ich fühle mich plötzlich richtig müde. Lange dachte ich, ich könnte mich doch jetzt nicht kurz auf’s Ohr legen. Inzwischen tue ich es für 15 bis 20 Minuten – und bin dann erfrischter als am Morgen.

Und das geht offenbar nicht nur mir so.

Die Erklärung dafür habe ich kürzlich gelesen: Sobald Koffein (ob aus Kaffee oder Tee) über den Dünndarm in den Blutkreislauf gelangt, wandert es in das Gehirn. Dort dockt es an die Adenosinrezeptoren an, an die auch ein körpereigenes Molekül, eben das Adenosin, andockt. Falls aber bereits Koffein die Rezeptoren blockiert, kann das Adenosin nicht andocken – und umgekehrt.

Adenosin ist ein Abfallprodukt der Gehirnaktivität. Wenn der Adenosinspiegel im Gehirn hoch genug ist und Adenosin die Rezeptoren besetzt, fühlen wir uns müde. Wenn wir schlafen, wird das Adenosin auf natürlichem Weg aus dem Gehirn entfernt.

Und dafür ist ein kurzes Nickerchen am Nachmittag gut geeignet. Wenn wir das auf maximal 20 Minuten begrenzen, verhindern wir, dass wir in tiefere Schlafzustände geraten. Interessanterweise braucht Koffein nach der Einnahme ebenfalls etwa 20 Minuten, im Gehirn anzukommen und an freie Rezeptoren anzudocken.

Wenn wir also ein 20-Minuten-Nickerchen machen und vorher Kaffee oder Tee getrunken haben, dann kommt das Koffein gerade rechtzeitig im Gehirn an, um an den Adenosinrezeptoren anzudocken – und wir fühlen uns doppelt erfrischt (durch das Nickerchen und den Kaffee). Und sind in der Lage, produktiv und konstruktiv weiterzuarbeiten.

 

Bildquellen

Das Titelfoto stammt von Elmer Cañas, das Foto der Kaffeetasse von Radek Grzybowski (beide via Unsplash).

 

 

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