Besser kürzer, dafür öfter

Franz Grieser // März 30 // 0 Comments

Roland schreibt gerade mit meiner Unterstützung an seinem Expertenbuch. Genauer gesagt: Er schrieb bis letzte Woche nicht wirklich.

Als er Ende 2022 mit dem Projekt startete, sagte er, dass er eigentlich keine Zeit dafür hat, weil er so stark im Tagesgeschäft eingespannt ist. Er würde sich einfach ein paar Auszeiten nehmen und das Buch dann schreiben. Er wäre solche Hauruck-Aktionen noch aus dem Studium gewohnt, da hätte er die Masterarbeit auch an drei Wochenenden runtergetippt.

Ein Vierteljahr und drei Hauruck-Wochenenden später hatte Roland eine tragfähige Gliederung (die war Mitte Januar schon fertig) und ein paar Textfragmente. Mehr nicht, dafür aber gewaltigen Frust.

Jetzt probiert er aus, was ich meinen Klient*innen seit Jahren rate: Kleine Schritte tun, dranbleiben, Regelmäßigkeit entwickeln - auf diese Weise kommt man mit der Zeit gewaltig weit. Im Englischen spricht man vom Compound Effect (übersetzt: Zinseszinseffekt oder Verbundwirkung).

Hauruck funktioniert nicht

Hauruck-Aktionen kenne ich aus eigener Erfahrung - aus der Zeit, als ich als festangestellter Redakteur arbeitete und nebenher noch an Buchprojekten schrieb. Ich hatte da auch die Vorstellung, ich könnte in einem Gewaltakt an einem verlängerten Wochenende ganz viel schaffen.

Letztlich war der Effekt solcher Aktionen meist nur minimal. Ich habe einen größeren Teil der Zeit nicht für Schreiben genutzt bzw. in der Zeit, in der ich geschrieben habe, nur wenig produziert. Entsprechend frustriert war ich hinterher.

Viel produktiver ist ...

Weitaus produktiver ist es, lieber öfter kleinere Teilaufgaben anzupacken, anstatt zu versuchen, die komplette Aufgabe in einem Gewaltakt abzuarbeiten. Das ist wie beim Lernen: Aus der Gehirnforschung wissen wir, dass wir dann am wirkungsvollsten lernen, wenn wir etwas immer wieder tun - selbst wenn es jeweils nur für kurze Zeit ist.

Wieso das so ist

Wenn du öfter für kurze Zeit an einer Aufgabe arbeitest, beschäftigt sich dein Gehirn auch in den Pausen dazwischen damit. Es kann so Verbindungen knüpfen und gewinnt neue Erkenntnisse.

Sicher kennst du das: Wenn du am Abend eine Aufgabe noch nicht abgeschlossen hast und dich am nächsten Morgen wieder daran setzen, bist du oft schon ein, zwei Schritte weiter. Oft hast du über Nacht schon die Lösung für ein kniffliges Problem gefunden. Obwohl du dich in der Nacht nicht bewusst damit beschäftigt hast - und auch nicht die Nacht über wach gelegen hast.

Und selbst, wenn du nicht im Schlaf eine Lösung gefunden hast: Oft wirkt ein Problem, das am Tag vorher noch unlösbar schien, am nächsten Morgen nicht mehr so riesig oder unüberwindbar.

Schnellere Erfolgserlebnisse

Hinzu kommt noch ein zweiter Effekt: Umfangreiche Projekte wie das Schreiben eines Buchs oder der Texte für die eigene Website erscheinen uns oft so, als wären sie nicht zu bewältigen. Das kann dazu führen, dass wir die Aufgabe immer weiter aufschieben, bis es nicht mehr anders geht. So war das bei mir früher - und auch bei Roland.

Wenn du das Riesenprojekt dagegen in kleine Schritte aufteilst und dir eine Teilaufgabe nach der anderen vornimmst, hast du sehr schnell Erfolgserlebnisse und kommst schneller voran.

Deshalb mein Rat: Teile große Projekte lieber in kleinere Schritte auf und arbeite regelmäßig an solchen kleinen Häppchen, statt zu versuchen, das Projekt in einer Hauruck-Aktion „wegzuschaffen“.

Es gibt Ausnahmen

Was ich beschrieben habe, funktioniert so für 95 und mehr Prozent aller Schreibenden. Konkret kenne ich genau drei Personen, die besser in Wochen- oder Wochenend-Sprints an ihren Büchern arbeiten. Zwei davon haben es erst auf die von mir empfohlene Weise probiert. Als das nicht klappte, haben sie sich dann doch wieder in einem Kloster eingemietet bzw. sind mehrere Wochenenden hintereinander in die eigene Ferienhütte gezogen. Dort, weg vom Alltag, war es möglich, fokussiert und ohne Störungen durch die Familie zu schreiben.

Wie gesagt: Es gibt auch (seltene) Ausnahmen zur Regel.


Das Titelfoto stammt von Unsplash-Nutzerin Lindsay Henwood.

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