Kürzlich erzählte eine Schreibcoaching-Klientin, dass es ihr meistens leicht fällt, mit dem Schreiben anzufangen. Aber mittendrin taucht dann häufig der Gedanke auf, sie müsse jetzt ganz dringend schauen, welche E-Mails reingekommen sind. Und zwar auch dann, wenn sie nicht auf eine wichtige E-Mail wartet.
Wenn sie diesem inneren Drang nachgibt, dann beantwortet sie nicht nur ein, zwei E-Mails, sondern schaut auch noch in WhatsApp und auf Instagram, was da reingekommen ist. Bis sie schließlich merkt, dass sie eine Viertelstunde oder mehr ihrer kostbaren Schreibzeit verschwendet hat.
Typischerweise tritt das bei ihr - und auch bei anderen - dann auf, wenn sie beim Schreiben ins Stocken gerät. Oder wenn sie merkt, dass das, was sie geschrieben hat, doch nicht so klar und verständlich ist, wie sich das vorher in ihren Gedanken angefühlt hat.
Wenn ich der Versuchung nachgebe
Dass dann der innere Drang aufkommt, den unangenehmen Gefühlen auszuweichen, kann ich gut nachvollziehen. Ich kenne diese Versuchung auch.
Nur: Wenn ich mich dann selbst ablenke und beispielsweise das E-Mail-Programm oder einen Social-Media-Kanal öffne, ist es extrem schwer, wieder zurück in den Schreibfluss zu kommen. Bin ich erst einmal im E-Mail-Postfach, fallen mir zig E-Mails ein, auf die ich noch reagieren muss. Dann brauche ich vielleicht noch zusätzliche Infos, lande im Webbrowser oder suche Dokumente auf der Festplatte.
Bis ich dann wieder da weitermachen kann, wo ich mich selbst unterbrochen habe, ist viel Zeit vergangen. Außerdem muss ich erst wieder in das Thema reinfinden, zu dem ich etwas schreiben wollte.
Ein ähnlich gelagertes Problem ist die Angewohnheit, gleich als allererstes am Morgen, nach dem Einschalten des Computers, E-Mails zu checken. Mehr dazu in diesem Beitrag.
Wie du die schlechten Gewohnheiten ablegst und sofort ins Schreiben kommst
Um die Versuchung möglichst zu minimieren, mich durch E-Mail-Checken abzulenken, habe ich für mich eine Strategie entwickelt, die inzwischen auch einer Reihe meiner Coachingklient*innen hilft.
1. Kurzer E-Mail-Check (falls du unbedingt Mails checken musst)
Stell dir einen Timer auf 5 Minuten. In diesen 5 Minuten schaust du in dein E-Mail-Postfach.
Aber:
- Du antwortest auf keine der E-Mails.
- Du liest keine E-Mail und keinen Newsletter durch.
- Lediglich E-Mails, von denen du denkst, dass du sie unbedingt jetzt sofort lesen musst (weil sonst die Welt untergeht), liest du quer.
Auf diese Weise kannst du sicher sein, dass nichts Dringendes „anbrennt“. So kannst du dich im Anschluss beruhigt ans Schreiben setzen und lenkst dich nicht mit E-Mal-Schreiben ab.
2. Nutze Timeboxing für E-Mails
Trag dir feste Zeiten in den Kalender ein, in denen du E-Mails bearbeitest. Zum Beispiel um 11 Uhr. Vorher lässt du die Finger vom E-Mail-Postfach (abgesehen von den 5 Minuten am Morgen).
Falls 11 Uhr zu spät ist: Nimm das erste Zeitfenster NACH deiner Schreibzeit und ein kurzes Zeitfenster vor der Mittagspause.
Ich empfehle dir, auch nachmittags nach Möglichkeit nur zwei Zeitfenster für E-Mails in den Kalender einzutragen.
Und halte dich an diese Zeiten.
Es sei denn, deine Arbeit besteht darin, E-Mails von Kund*innen zeitnah zu beantworten. Dann wirst du dein E-Mail-Programm ständig offen haben und regelmäßig reinschauen.
3. Schließe dein E-Mail-Programm
Nach jedem Zeitfenster für E-Mails schließt du dein E-Mail-Programm. Das senkt den Drang, mal kurz zu schauen, ob eine E-Mail von Kollege X reingekommen ist.
Außerdem poppen auf diese Weise nicht ständig Benachrichtigungen auf, dass eine neue E-Mail angekommen ist.
4. Grenzen setzen und ankündigen
E-Mail ist - anders als das Telefon oder ein Chat-Programm - als asynchrones Medium gedacht: Ein Sender schreibt, der Empfänger antwortet, wenn er Zeit dafür hat. Nur leider erwarten viele, dass sie sofort eine Antwort auf ihre E-Mail erhalten. (Wer kennt das nicht: Kollege A ruft an: „Ich habe dir gerade eine E-Mail geschickt. Wann kommt deine Antwort?“)
Deshalb: Wenn du nur in bestimmten Zeitfenstern E-Mails bearbeitest, trag das in die Signatur deines E-Mail-Programms ein. Beispielsweise: „Bitte beachten Sie: Ich schaue nur um 10:00, 12:00, 14:00 und 16:00 Uhr in mein E-Mail-Postfach.“
So wissen die Menschen, die mit dir zu tun haben, Bescheid, dass du nicht rund um die Uhr per E-Mail erreichbar bist.
Und du gibst dir selbst die Erlaubnis, nicht ständig verfügbar zu sein.
5. Regelmäßig Pausen machen
Der plötzliche Drang, „kurz mal“ E-Mails zu checken oder einer anderen Ablenkung nachzugehen, kommt nicht selten auch daher, dass wir gerade in ein Energieloch rutschen.
Deshalb: Plane nicht nur Zeitfenster für E-Mails ein, sondern auch regelmäßige kurze Pausen. Je nachdem, wie viel Konzentration die Aufgabe erfordert, kann eine Pause nach 30 oder 50 Minuten, spätestens aber nach 90 Minuten sinnvoll sein.
Kurze Pause heißt: 5 bis 10 Minuten (je nach Länge des Arbeitsblocks), in denen du aufstehst, dich bewegst, dir etwas zu Trinken holst, auf die Toilette gehst.
In der Pause lässt du die Finger von elektronischen Geräten (also keine E-Mails, kein Social Media, kein Chat, kein kurzes Spiel).
6. Finde das, was für dich funktioniert
Probiere diese Tipps für einen Monat aus und schreibe dir täglich auf:
- Was hat funktioniert?
- Was hat für dich nicht funktioniert? Und was könntest du stattdessen tun?
- Welche inneren Widerstände haben sich gezeigt? Falls negative Gedanken kommen: Schreib sie auf.
- Falls negative Gedanken gekommen sind: Lies die Aufzeichnung mit zeitlichem Abstand durch (zum Beispiel am nächsten Tag) durch und frage dich, ob du diesen Gedanken wirklich, wirklich immer noch glaubst. Oder ob du ihn loslassen kannst.