Schreibblockade adieu: Wie du die Angst vor dem leeren Blatt verlierst

Franz Grieser // September 1 // 0 Comments

Schreiben ist für die meisten Menschen eine riesige Herausforderung. Oft sitzen sie wie erstarrt vor dem leeren Blatt oder dem leeren Bildschirm und wissen nicht, wo und wie sie anfangen sollen. Ein klassischer Fall von Schreibblockade.

Das kann unterschiedliche Gründen haben; ein entscheidender Grund, der den allerwenigsten bewusst ist, ist der folgende.

Der Grund für die Angst vor dem leeren Blatt: Es fehlt ein Gegenüber

Das Riesenproblem mit einem leeren Blatt ist: Dass es leer ist.

Dass es keine Augen, keine Ohren und keinen Mund hat.

Es ist kein echtes Gegenüber. Und das macht es uns so schwer.

Denn Schreiben heißt: Kommunizieren.

Und zum Kommunizieren brauchen wir ein Gegenüber. Dieses Gegenüber haben wir (oft) nicht, wenn wir am Computer sitzen oder auch wenn wir auf ein Blatt Papier schreiben. Und dieses Fehlen eines Gegenübers hemmt uns.

Das Problem haben wir meist nicht, wenn wir beispielsweise eine E-Mail an eine konkrete Person schreiben. Schwierig wird es dagegen, wenn wir gleichsam „ins Blaue hinein“ schreiben sollen, etwa einen Blogartikel, ein Buchkapitel oder einen Newsletter.

Schreibblockade, Angst vor dem leeren Blatt Erzählen

Tipp 1 gegen Schreibblockaden: Schreibe für konkrete Personen

Eine der wichtigsten Lektionen fürs Schreiben hab ich erfreulicherweise sehr früh gelernt. Dafür bin ich dem Lektor meines allerersten Buchs heute noch dankbar. Der hat mir, als ich gleich beim ersten Kapitel in eine Schreibblockade gerutscht bin, gesagt: Du musst wissen, für wen du schreibst. Und du musst ganz bewusst für diese Person schreiben. Stell dir vor, du erzählst es dieser Person.

Normalerweise schreiben wir natürlich für ganz viele Menschen. Trotzdem: Bei jedem Artikel, bei jedem Buch, auch bei jedem Blogbeitrag, den ich heute schreibe, stelle ich mir ein, zwei Personen vor, denen ich das erzähle, was ich schreiben will.

Das sind in meinem Fall Menschen aus Fleisch und Blut, Menschen, die ich kenne. Manche Blogbeiträge zum Beispiel schreibe ich für zwei Teilnehmer, die letztes Jahr bei einem meiner Seminare dabei waren.

Wenn ich ein neues Dokument in meinem Textprogramm öffne, schreibe ich den Arbeitstitel, wenn ich schon einen habe. Dann nehm ich mir bewusst kurz Zeit, überlege, für wen der Artikel oder Blogbeitrag gedacht ist. Und stelle mir diese Person vor dem geistigen Auge vor, manchmal sind es auch zwei Personen.

Ich schreibe mir auch den Namen der Person oder Personen an den Anfang der Datei.

Einige meiner Klienten fügen sogar ein Foto von den Personen am Anfang des Dokuments ein.

Für Menschen aus Fleisch und Blut schreiben

Für mich gehört das zu den wichtigsten Tipps rund ums Schreiben: Stell dir bei jedem Text vor, für wen du schreibst. Mach das so konkret wie möglich. Stell dir wirklich eine Person aus Fleisch und Blut vor.

Ich hab einige Zeit gedacht, ich bräuchte das nicht mehr, und hab aus Bequemlichkeit einfach drauflos geschrieben. Das hat schon auch funktioniert, da kommt die Routine zum Tragen, ich schreibe ja täglich.

Aber leichter fällt es mir, wenn ich mir eine konkrete Person vorstelle. Und es macht mir auch mehr Spaß, es ist für mich persönlicher, wenn ich mir vorstelle, einen Blogbeitrag zum Thema Aufschieberitis für Lukas und für Frau Schneider zu schreiben.

Tipp 2 gegen Schreibblockaden: Erzähle, was du schreiben willst

Einer der ersten Klienten, der zu mir ins Schreibcoaching kam, war ein Trainer. Wir hatten uns in einem seiner Seminare kennengelernt. Er kam zu mir, weil er immer wieder Schreibblockaden hatte. Er hatte schon mehrfach einen Auftrag nicht bekommen, weil er das schriftliche Angebot, um das ein interessierter Kunde gebeten hatte, einfach nicht zustande brachte.

Im Seminar und auch im Gespräch konnte er sich gut und klar ausdrücken. Er redete ganz frei, ohne Notizen. Das ging alles wunderbar.

Nur mit dem Schreiben klappte es nicht. Sobald er sich an die Tastatur setzte, war er wie leer im Kopf.

Bei ihm hat ein kleiner Trick geholfen: Ich habe ihn gebeten, mir zu erzählen, was er in das Angebot schreiben wollte. Das hat wunderbar funktioniert.

Dann habe ich ihm vorgeschlagen, es mir noch einmal zu erzählen und es mit seinem Diktiergerät aufzunehmen. Die Aufnahme hat er dann mit seiner Diktiersoftware in digitalen Text umwandeln lassen.

Diesen Rohtext hat er dann in seinem Textprogramm weiterbearbeitet und für seinen Auftraggeber fertig gemacht.

Um ehrlich zu sein: Anfangs fand er das, was er diktiert hatte, etwas peinlich. Weil das natürlich keine perfekt ausformulierten und grammatikalisch korrekten Sätze waren.

Aber er hat gemerkt, dass es gar nicht so viel Aufwand war, das, was da auf dem Bildschirm stand, zu korrigieren und hübsch zu formulieren.

Schreibblockade Angst vor dem leeren Blatt Erzählen Diktieren

Erzähl es mir —oder dem Diktiergerät

Das mit dem Diktieren funktioniert für viele meiner Klienten. Inzwischen nutzen sie die Diktierfunktion in ihrem Smartphone oder auch einfach die Aufnahmefunktion in ihrem Textprogramm.

Für die Geräte von Apple und die Android-Geräte gibt es diverse Sprachmemo-Apps, die meisten davon wandeln Audioaufnahmen gleich in Text um. Und es gibt die Möglichkeit, Spracheingabe zum Beispiel in der Notizen-App auf dem iPhone gleich mitschreiben zu lassen. Dazu tippst du auf das Mikrofon-Symbol; die App erkennt inzwischen auch Satzzeichen, die du mitdiktierst.

Auch viele Textprogramme haben inzwischen eine Diktierfunktion. In Word findest du sie auf dem Reiter „Start“. Auf dem Mac gibt es sogar eine systemweite Diktierfunktion, die ebenfalls erstaunlich gut funktioniert; in Pages findest du sie unter „Bearbeiten - Diktat starten“.

Du kannst das, was du schreiben willst, natürlich auch einer anderen Person erzählen und es dann gleich im Anschluss aufschreiben.

Schreibe so, wie du sprichst

Wenn du so vorgehst, dann klingt das, was du schreibst, nach dir. Das ist authentisch.

Viele meinen, sie müssten so schreiben, dass es „wie geschrieben“ klingt. Das ist ein Riesenfehler. Dabei kommen erfahrungsgemäß langweilige Texte raus. Gestelzte Texte, blutleere Texte, nichts, was man gerne liest.

Wenn du dagegen gedacht in Dialog mit deinem Gegenüber gehst, dann liest sich das normalerweise viel flüssiger. Du kannst damit auch richtig spielen und zum Beispiel rhetorische Fragen einbauen. Oder die Person direkt auffordern, etwas zu tun, zum Beispiel „Stell dir vor, wie es ist ...“

Also: Schreib so, wie du sprichst. Trau dich.

Und dann überarbeite den Text, aber polier ihn nicht blank.

Auch ein Thomas Mann hat seine Romane nicht einfach so heruntergeschrieben. Er hat - wie alle anderen Schriftsteller - seine Romane und Erzählungen mehrmals überarbeitet.

Eine Anmerkung: Bei wissenschaftlichen Arbeiten ist ein Stil gefordert, der eher trocken, distanziert und abstrakt ist. Da wirst du natürlich nicht so schreiben, wie du sprichst.

Bildquellen

Das Titelfoto stammt von Juri Gianfrancesco, das Foto im Text von Priscilla Du Preez (beide via Unsplash).

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