Könnte ein KI-Texter meine Blogbeiträge schreiben?

Franz Grieser // Februar 22 // 0 Comments

„ChatGPT: Hunderte E-Books von KI bei Amazon. Wer schon ‚immer Bücher schreiben wollte‘, lässt das nun ChatGPT machen“ - so das IT-Magazin Heise.de in einer Meldung vom 22. Februar. Tatsächlich ist bei über 250 E-Books bei Amazon ChatGPT als Mitautor angegeben.

Kein Wunder, dass mich inzwischen einige Klient*innen und sogar ein Therapeutenkollege ernsthaft gefragt haben, ob sie Teile ihrer Buchmanuskripte oder auch Blogbeiträge und Newsletter nicht zeit- und nervenschonend durch einen der neuen KI-Texter schreiben lassen können.

Meine erste Reaktion war: So ein Quatsch, das funktioniert vielleicht im Englischen, aber nicht für deutsche Texte.

Dann habe ich mir verschiedene KI-Tools genauer angeschaut: ChatGPT, Jasper.ai, Autorytr und Neuroflash. Ich habe mir kurze Texte „schreiben“ lassen, habe mir Artikelideen und auch Gliederungen für Beiträge vorschlagen lassen.

Meine Erfahrungen mit den Programmen sind - was mich erstaunt hat - durchaus nicht negativ. Grundsätzlich könnte ich Rohfassungen von Blogbeiträgen von einem Tool wie Jasper oder Neuroflash schreiben lassen und dann überarbeiten.

Ich tue es aber nicht und empfehle es auch meinen Klient*innen und Kolleg*innen nicht. Und das hat eine ganze Reihe von Gründen.

Am Ende dieses Beitrags zeige ich anhand eines Beispieltextes, wieso ein KI-Texter nicht in der Lage ist, meine Blogbeiträge zu schreiben.

KI-Texter sind nicht vertrauenswürdig

Alle Beispieltexte, die ich mir von den vier Tools erzeugen ließ, enthalten inhaltliche Fehler.

Ein Beispiel gefällig? Spaßeshalber habe ich die Tools gefragt: Was weißt du über Franz Grieser, den Gestalttherapeuten?“

Neuroflash hat mir dazu zwei Gliederungsvorschläge gemacht:

KI-Texter Gliederung

Es ist keine falsche Bescheidenheit, wenn ich sage, dass ich die Gestalttherapie nicht weiterentwickelt habe und auch keinen Einfluss auf die Psychotherapie heute habe. Es gibt auch keinen anderen Franz Grieser, der Gestalttherapeut ist.

Richtig lustig wurde es, als ich einen Beitrag anhand der 2. Gliederung texten ließ. Hier wieder Neuroflash:

Als Gestalttherapeut hat sich Franz Grieser auf die Behandlung von psychischen Erkrankungen spezialisiert und widmet sich dem Wohlergehen seiner Patienten. Er hat einen Master in Psychologie von der Universität Zürich und einen Master in Gestalttherapie von der Universität Wien erlangt. Zudem hat er eine Zusatzausbildung in tiefenpsychologischer Psychotherapie gemacht. Seine wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf die Themen Psychotherapie, Gruppendynamik und psychosomatische Prozesse.

Nein, es gibt keinen Franz Grieser, der an der Uni Zürich oder der Uni Wien Masterabschlüsse in Psychologie oder Gestalttherapie gemacht hat. Ganz abgesehen davon, dass man an der Uni Wien keinen Master in Gestalttherapie erwerben kann, sondern in Krems, und da heißt es „Integrative Gestalttherapie“. Und wissenschaftlich arbeite ich auch nicht.

KI-Texter eigene Stimme

KI-Texter schreiben nicht in meiner Stimme (zurzeit)

Ich arbeite überwiegend mit Selbstständigen und kleinen Unternehmen, die vor allem wegen ihrer individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen erfolgreich sind. Für ihre Kommunikation ist es wichtig, dass sie in ihrer Stimme schreiben („so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist“). Das macht sie unverwechselbar und damit nicht austauschbar.

Das können KI-Texter - zumindest derzeit - nicht. Es gibt zwar schon Systeme, die versuchen, in einer bestimmten Tonalität oder in der Stimme von bekannten Persönlichkeiten zu schreiben. Das gelingt bisher aber eher mittelprächtig.

Ja, KI-Texter sind lernende Systeme, aber bisher habe ich noch kein System gesehen, das ich auf meine Stimme trainieren könnte. Mag sein, dass das noch kommt.

Im Moment jedenfalls schreiben KI-Texter keine besonders schöne Prosa und formulieren immer wieder schwammig. Erfreulich ist, dass die KI-Texter im Test wenig Passiv verwenden. Aber es fällt auf, wenn man genau hinschaut, dass sie zwar häufig aktive Formulierungen verwenden, aber häufig unkonkret schreiben. Im kurzen Beispieltext unten ist gleich mehrmals das Subjekt im Satz nicht klar benannt. Auf den ersten Blick wirken die Sätze logisch, man nickt innerlich. Aber wenn man sie dann noch einmal liest, merkt man, dass sie mehrdeutig sind. Wenn ein Mensch so schreibt, dann will er sich um klare Aussagen drücken und sich nicht angreifbar machen.

Das ist jedenfalls nicht die Art, wie ich schreiben will.

KI-Texter Roboter

KI-Texter haben weder meine Haltung noch mein Wissen

Auch inhaltlich passt das, was die KI-Texter im Test zu Themen wie Aufschieberitis, Schreibblockaden oder auch Selbstakzeptanz texten, nicht zu dem, was ich schreiben würde. So nennen sie als Ursachen für Aufschieberitis/Prokrastination beispielsweise mangelnde Disziplin oder Willenskraft - was meiner Erfahrung komplett widerspricht. Auch die Tipps, mit denen man aus einer Schreibblockade herauskommt, sind zwar im Web weitverbreitet, helfen - wenn überhaupt - nur kurzfristig.

Letztlich ist das, was bei den KI-Textern herauskommt, inhaltlich Mainstream. Das, was uns Selbstständige ausmacht - unsere Erfahrungen, unsere speziellen Ausbildungen und Fähigkeiten, unsere Haltung, uns besonderer Ansatz -, das kommt da nicht vor.

Ein Beispieltext

Ich habe heute (22. Februar 2023) dem KI-Texter Neuroflash den Auftrag gegeben, einen Blogbeitrag zur Frage „Was sind die Ursachen für Prokrastination?“ zu verfassen und habe mich für eine der vorgeschlagenen Gliederungen entschieden:

  • Kognitive Ursachen
  • Emotionale Ursachen
  • Verhaltensbedingte Ursachen

Hier ist ein Ausschnitt, an dem ich zeige, wieso ich so einen Text nie schreiben würde. Die Stellen, die mit Ziffern in Klammern markiert sind, kommentiere ich im Anschluss.

Kognitive Ursachen

Prokrastination hat viele kognitive Ursachen. Dazu gehören ein Mangel an Selbstdisziplin (1) und Selbstvertrauen, eine schlechte Zeitplanung (2) und ein Mangel an Motivation. Darüber hinaus ist es oft schwierig, die Aufgabe in kleine Schritte zu unterteilen (3), um sie zu erledigen. Oftmals neigen Menschen dazu, sich überwältigt zu fühlen, wenn sie die gesamte Aufgabe betrachten (4). Dieser Mangel an Planung (5) kann sich negativ auf die Disziplin und Motivation auswirken und dazu führen, dass wichtige Aufgaben immer wieder aufgeschoben werden. Ein weiterer Grund für Prokrastination ist, dass Menschen oft nicht in der Lage sind, eine angemessene Wertschätzung für die Projekte zu erhalten, die sie erledigen müssen (6).

Quelle: Neuroflash

Meine Kommentare

(1) Nein, ein Mangel an Selbstdisziplin ist in den allerseltensten Fällen die Ursache für Prokrastination. Inhaltlich also falsch.

(2) Schlechte Zeitplanung ist keine kognitive Ursache - das hat in dieser Aufzählung nichts zu suchen. Das gehört zum Abschnitt „Verhaltensbedingte Ursachen“, der im Beispieltext später kommt. Die Aufzählung hier wirft Kraut und Rüben durcheinander.

(3) Große Aufgaben in kleinere Schritte unterteilen - ja, das ist eine Maßnahme, die hilft, mit dem Aufschieben aufzuhören. Das gehört ebenfalls nicht zu kognitiven Ursachen. Und der Satz „Darüber hinaus ist es oft schwierig ...“ klingt zwar vernünftig, ist aber eine Null-Aussage. Ist es für Menschen schwierig, die von Prokrastination betroffen sind? Oder lassen sich die Aufgaben nicht unterteilen (was in der Praxis aber so gut wie immer möglich ist)? Oder was soll dieser Satz sagen?

(4) Inhaltlich OK, aber unglücklich formuliert.

(5) Auch hier sind wir wieder bei Selbstorganisation, nicht bei kognitiven Ursachen. Hinzu kommt: Das Wort „dieser“ bezieht sich normalerweise auf etwas, was davor steht - im Satz davor ist aber nicht von Mangel an Planung die Rede, da ist die Rede von Überwältigung.

(6) Auch diese Formulierung ist so schwammig, dass sie zwar gut klingt, aber nichts aussagt. Was ist damit gemeint, dass die Betroffenen nicht in der Lage sind, Wertschätzung zu erhalten? Bekommen sie keine - oder sind sie nicht in der Lage, sich Wertschätzung zu holen? Was genau will dieser Satz sagen? (danach endet übrigens der Abschnitt, ich habe ihn nicht abgeschnitten).

Für meine Zwecke wäre dieser Ausschnitt ebenso wie der Rest des Textes auch als Rohfassung nicht zu gebrauchen. Ich müsste erst einmal die inhaltlichen Fehler (davon kamen im Rest noch einige) korrigieren und die Ursachen, wenn sie schon in verschiedene Kategorien untergliedert werden, in die richtige Kategorie einordnen. Ich würde auch die emotionalen Ursachen nach vorne ziehen und wesentlich ausführlicher behandeln als der KI-Texter. Und dann müsste ich das Ganze inhaltlich und sprachlich überarbeiten.

KI-Texter Maschinenlernen

KI-Texter: im Moment keine Gefahr

Mir ist bewusst, dass die Entwicklung im Bereich Artificial Intelligence (ich halte den Begriff „Künstliche Intelligenz“ für irreführend) und Machine Learning rasant weitergeht.  Die Systeme lernen ständig dazu. Und vielleicht, vielleicht sind sie irgendwann tatsächlich so weit, dass meine Kritikpunkte obsolet sind.

Bis dahin: Ich sehe im Moment keine Gefahr in diesen Werkzeugen. Ich sehe eher Chancen. Je mehr Firmen und Selbstständige Texte von KIs produzieren lassen, desto stärker stechen meine Texte inhaltlich und sprachlich aus der Masse heraus.

Nichtsdestotrotz habe ich mir Lizenzen für diverse KI-Tools angeschafft und schaue, wie ich sie zum Beispiel als Ideenlieferant, als Gliederungshelfer und auch für die Suchmaschinenoptimierung nutzen kann.

Schreiben werde ich weiterhin lieber selber.


Bildnachweise

Das Titelfoto stammt von Lyman Hansel Gerona, die anderen Fotos von Soundtrap, Possessed Photography und Luca Bravo (alle via Unsplash).

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