Wer schreibt, will gelesen und verstanden werden – einmal abgesehen von Fällen, wo es rein ums Beeindrucken geht oder darum, „Nichteingeweihte“ auszuschließen oder bei juristischer Sprache.
Wer gelesen und verstanden werden will, tut gut daran, leicht verständlich zu schreiben.
Mit der Frage, wann ist deutsche Sprache leicht verständlich, beschäftigten sich Germanisten schon seit vielen Jahren. Wer mehr dazu wissen will: Am Ende dieses Artikels schreibe ich mehr dazu. [1]
Anfang der 1970er Jahre entwickelten die Hamburger Psychologen Inghard Langer, Friedemann Schulz von Thun (ja, genau, der mit den vier Seiten einer Botschaft) und Reinhard Tausch Kriterien für die Verständlichkeit von Texten. Sie orientierten sich dabei an den Ergebnissen aus der Lesbarkeitsforschung, die sie aus mehreren Untersuchungen zogen.
Verständlich schreiben nach dem Hamburger Verständlichkeitsmodell
Die Hamburger Psychologen fanden heraus, dass ihre Versuchspersonen Texte dann leicht verständlich fanden, wenn sie den folgenden Kriterien entsprachen:
- Einfachheit
- Gliederung und Ordnung
- Kürze und Prägnanz
- Anregende Zusätze
Was bedeuten diese Kriterien? Und wie setzt man sie in der Praxis um?
1. Einfachheit
Einfach geschriebene Texte zeichnen sich aus durch:
- kurze Sätze (die Hamburger Psychologen empfehlen 9 bis 13 Wörter für Sätze, die sehr leicht verständlich sein sollen), einfache Nebensatzgebilde – keine verschachtelten Sätze oder Einschübe;
- kurze Wörter (möglichst nicht mehr als 3 Silben);
- dem Leser vertraute Wörter; wer Fremdwörter oder Fachbegriffe verwendet, sollte diese erklären.
Wie einfach Sie einen Text halten, hängt natürlich von der Zielgruppe ab. Ebenso vom Medium und der Situation, in der der Text gelesen wird: Menschen, die nicht schon mit dem Internet aufgewachsen sind, tun sich meist schwerer, am Bildschirm zu lesen als auf Papier.
Anmerkung: Für meinen Geschmack sind die 9 bis 13 Wörter pro Satz, die die Psychologen aus Hamburg empfehlen, zu knapp. Wenn man sich streng daran hält, produziert man eine Aneinanderreihung knapper, nüchterner Hauptsätze, was auf Dauer monoton und ermüdend ist. Ich halte mich da lieber an die Empfehlungen von Wolf Schneider und Ludwig Reiners, nach denen Sätze mit 20 bis 24 Wörtern durchaus verständlich (wenn auch nicht leicht verständlich) sind. Mein Ziel ist es, nicht „nur“ leicht verständliche Texte zu schreiben, sondern auch solche, die man gerne liest.
2. Gliederung und Ordnung
Damit Leser Schilderungen oder Erklärungen leicht folgen können, sollte der Autor die Informationen in logischer Abfolge und in verdaubaren Häppchen präsentieren. Sonst fällt es den Lesern schwer, den roten Faden zu erkennen.
Mit einer klaren Gliederung und Abfolge helfen Sie Ihrem Leser, den Text schneller zu verdauen. Dabei helfen diese Hinweise:
- Überlegen Sie sich vor dem Schreiben eine logische Abfolge, und halten Sie sich beim Schreiben an diesen roten Faden.
- Beschränken Sie sich auf einen Gedanken pro Satz.
- Stellen Sie das Wesentliche an den Anfang des Textes und an den Anfang des Satzes.
- Gliedern Sie den Text durch Absätze so, dass Zusammengehöriges in einem Absatz steht.
- Machen Sie dem Leser deutlich, was wesentlich ist; lassen Sie Unwesentliches nach Möglichkeit weg.
- Nutzen Sie optische Gestaltungsmittel, um dem Leser das Aufnehmen der Informationen zu erleichtern. Dabei helfen Überschriften, Aufzählungen oder auch Schritt-für-Schritt-Anleitungen.
3. Kürze und Prägnanz
- Was Kürze und Prägnanz anlangt, formulierten die Hamburger Psychologen zwei Extreme und empfahlen, einen Mittelweg zu suchen zwischen
- zu knapp: gedrängt, jedes Wort ist notwendig;
- zu weitschweifig: sehr ausführlich, viel Unwesentliches, vieles könnte man auch weglassen.
Das heißt: Beschränken Sie sich im Text auf das Wesentliche; formulieren Sie sparsam, jedoch nicht zu knapp; formulieren Sie konkret und anschaulich.

4. Anregende Zusätze
Wenn Sie Texte streng nach den ersten drei Kriterien verfassen, können diese sehr knapp und trocken wirken. Daher empfehlen die Hamburger Psychologen, anregende Zusätze zu verwenden. Das heißt:
- Nutzen Sie Beispiele, die dem Leser verdeutlichen, was Sie meinen. Verwenden Sie dabei nach Möglichkeit Beispiele aus der Lebenswelt des Lesers.
- Fügen Sie Elemente wie Fragen oder Zitate ein, um den Text aufzulockern.
- Schreiben Sie anschaulich, sodass der Leser Ihrem Text leicht folgen kann und er auch Lust hat, ihm zu folgen.
- Schreiben Sie persönlich, und werden Sie als Autor sichtbar, soweit das sinnvoll ist.
- Wenn möglich, fügen Sie erklärende Bilder oder Grafiken ein.
- Verwenden Sie anregende Zusätze gezielt und sparsam – die Zusätze sollen einen Zweck erfüllen, nicht einfach nur Sahnehäubchen auf der Torte sein.
Fazit: Wann ist ein Text leicht verständlich?
Optimal verständlich ist ein Text nach dem Hamburger Verständnismodell dann, wenn er einfach geschrieben, prägnant, aber nicht zu knapp, gut und logisch gegliedert und mit einigen interessanten Zusätzen versehen ist.
[1] In den 1920er Jahren hat Eduard Engels die „Deutsche Stilkunst“ veröffentlicht, in den 1940er Jahren Ludwig Reiners seine „Stilfibel“, die in Teilen auf Engels basiert. Seit Mitte der 1970er Jahren hat Wolf Schneider zahlreiche Bücher zur deutschen Sprache veröffentlicht; sein Ziel ist es, Schreibenden zu zeigen, wie sie lebendiges und gut verständliches Deutsch schreiben.
Das Titelfoto stammt von Pixabay-Nutzer Tobias Lampert.